Die wertvollen Worte unseres Chorleiters zum Thema Musik während der 10-Jahresfeier und einige Fotos:

 

Liebe aktive Chormitglieder, liebe stille Teilhaber unserer Kunst,

wir alle wissen, dass die tönende Kunst, sprich Musik, aufgrund ihrer weiten emotionalen Bandbreite spontan mehr bewegen kann als andere Künste. Sie kann uns tief ergreifen, sie kann die Amplitude unserer Gefühle vergrößern, sie kann unsere Wahrnehmung erweitern.

Kunst ist nichts ornamentales, Kunst ist, richtig verstanden, essentieller Bestandteil unseres täglichen Lebens. Ohne Kunst kein erfülltes Leben!

„Kunst ist nicht alles, aber ohne Kunst ist alles nichts!“, so schreibt Michael Heltau, der große Philosoph unter den Kulturbeflissenen.

Die tönende Kunst ist nichts greifbares, nichts konkretes, nichts messbares, sie ist Klangvorstellung auf der Basis einer Komposition die jedes Mal neu erschaffen werden muss.

Ich fühle mich sehr oft wesensverwandt mit einem Bildhauer, der jeden Freitagabend versucht aus stimmlichen und tastösem Rohmaterial Kunst zu meißeln. Das kann manchmal erstaunlich gut gehen, manchmal aber auch nicht.

Das tönende Kunstwerk fällt einmal sehr überzeugend, ein anderes Mal weniger überzeugend aus. Der Grund dafür ist nicht real greifbar, nicht einmal immer physisch oder psychisch nachvollziehbar, wir müssen diese Tatsache einfach hinnehmen. Wir lassen uns aber nicht beirren, beginnen wieder von neuem zu meißeln, manchmal mühsam in h-moll, manchmal siegesgewisser in D-Dur, immer sehr von uns selbst überzeugt.

Im Hinterkopf steckt jedoch bei jedem von uns ein Traum, ich weis es ganz genau, ein Klangtraum. Ein Traum von wunderbarer, von perfekter Musik ein Traum von einer perfekten eigenen Stimme, die alles vom Blatt singen kann, immer gut eingesungen ist, keine Nervosität kennt und geradezu darauf wartet im Konzert Höchstleistungen zu bieten.

Man kann diesen Traum Traum sein lassen, sich wie der vermeintlich äußerst intellektuelle Bildungshörer mit Hunderten von CDs und DVDs umgeben, nur mit audiophilen Referenzaufnahmen prahlen, und zufrieden dazu ein Glas möglichst alten Mouton Rothschild genießen. So weit gehen die einen. Dieser Weg ist der sicherste.

Wir aber, die anderen, wir meißeln, stellen uns der Kunst. Wir gehen den unsicheren, unberechenbaren, gefährlichen Weg, versuchen unseren Klangtraum zu realisieren. Und wir ertappen uns dabei - vielleicht in gewissen, nicht vorhersehbaren Momenten in einen Zustand zu kommen, der plötzlich eine Verbindung zu einer anderen unbekannten Dimension schafft oder zumindest dort anklopft wir  werden belohnt - denn unser direkter handgemachter Zugang zur Musik ist in der Lage uns dermaßen zu emotionalisieren, dass diese andere Dimension plötzlich viel intensiver da ist. Die einen nennen das spirituelle, die anderen religiöse Dimension, einige einfach nur Traum. Aber die Kenntnis dieser Dimension, wenn man sie auch nur einmal erspürt hat, macht süchtig, man ertappt sich als Wiederholungstäter. Und ich glaube, nein, insgeheim hoffe ich, dass Ihr süchtig seid, süchtig nach gesteigerten Empfindungen und Emotionen, süchtig nach handgemachter musikalischer Qualität, die diesen gänsehautbehafteten Quantensprung ermöglicht. 

Aber ich bin nicht stark genug, an den wichtigen musikalischen Kunstwerken alleine zu meißeln. Nur gemeinsam können wir in diesen luxuriösen Rauschzustand kommen.. Ich kann ohne Euch, liebe Chormitglieder nicht sein. Ohne einen bis zu hundertköpfigen Klangkörper keine Sucht, ohne Sucht kein Sein, ohne Sein keine Sucht. Das gönne ich mir und auch euch.

Der legendäre und umstrittene Dirigent Wilhelm Furtwängler war so süchtig nach Musik, dass er, nachdem sich sein Gehör stark verschlechterte, einfach beschloss zu sterben. Er verabschiedete sich von seiner Familie, sagte, er werde jetzt sterben, und tat dies auch.

Gott sei Dank bin ich nicht so berühmt und hoffentlich auch noch nicht so weit. Ich will nach Weihnachten meiner Sucht mit Euch weiter frönen. Ich freue mich an einer musikalischen Substanz weiter zu meißeln, die sich da heißt „Die Jahreszeiten“ von J.Haydn.

Aber so erdgebunden zu schließen ist nicht meine Sache. Die von mir, nicht nur wegen ihres Äußeren sehr geschätzte Geigerin Anne-Sophie Mutter, gibt auf die Frage, mit welchem Werk sie auf dem Mond über riesige Satellitenschlüsseln Kontakt zu anderen Lebewesen im Universum aufnehmen wolle, folgende Antwort: Mit Bachs Solosonaten. Ich würde an gleicher Stelle mit Euch Bachs h-moll Messe singen wollen!

                                                                                                                             Euer   Ronald   Scheuer               

 

Einige Bilder von der 10-Jahresfeier

 

 

 

 

 

 

Fotos: Hampel

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